Auswandern

Eigenheim auf Zypern - Warum eigentlich nicht

von  
Aaron Israel
June 13, 2022

Eigenheim auf Zypern - bist du verrückt Aaron?

Ich bin sicherlich nicht dafür bekannt für das Eigenheim zu trommeln. Ganz im Gegenteil. Ich halte 8/10 Eigenheime für Lifestyle Entscheidungen. Zumindest war das mal so. Warum ich jetzt darüber nachdenke eine Immobilie auf Zypern zu erwerben und das nicht etwa aus Investmentgründen, sondern als Eigenheim, erfährst du in diesem Beitrag.

Was sich verändert hat

Wir (meine Partnerin und ich) leben seit einem Jahr auf Zypern. Uns gefällt es hier sehr gut und wir könnten uns vorstellen auch gern noch etwas länger auf dieser wunderschönen Insel zu bleiben. In den ersten zehn Monaten auf der Insel habe ich nicht wirklich ernsthaft über den Immobilienkauf zum Eigennutz nachgedacht, seit zwei Monaten jedoch quasi pausenlos.

Mieterhöhung

Wir wohnen seit zwölf Monaten im gleichen Haus - tolle Lage, ruhige Nachbarschaft, ideal für uns (Link zur Roomtour auf Youtube). Als wir hier vor einem Jahr eingezogen sind, waren die Mieten am Boden. Zypern lebt vom Tourismus und ich denke es ist jedem klar, dass die letzten zwei Jahre hier alles andere als gut liefen. Wir konnten unser Haus für 1.000€/Monat mieten - was sich nach einem sehr gutem Deal anhörte. Auch haben wir direkt einen Vertrag über drei Jahre abgeschlossen. Absoluter Traum. Vor zwei Monaten kam dann spontan Besuch. Ein neuer Eigentümer. Franzose, lebt und arbeitet in Tel Aviv, hat kein Interesse hier zu leben (meine erste Frage: Eigenbedarf?). Vor einem Monat der Anruf: neue ökonomische Realität, die Miete soll nach oben. Aus ökonomischer Sicht vollkommen verständlich. Die Mieten sind auf Zypern in den letzten Monaten explodiert (viele Russen sind nach Zypern "geflüchtet"). Einige unserer Nachbarn haben die Siedlung bereits verlassen. Die leeren Häuser werden jetzt für 2.000€/Monat inseriert. Auch haben wir bereits neue Nachbarn. Ob diese 2.000€/Monat zahlen, weiß ich nicht. 1.700€ werden von einem neuen Paar gezahlt. Nach einigen Verhandlungsrunden haben wir uns mit dem neuen Eigentümer auf 1.400€/Monat geeinigt. Eine Mieterhöhung von 40%. Unsere persönliche Inflationsrate wird dieses Jahr definitiv etwas höher als die des Durchschnittseuropäers sein.

3-Jahres-Vertrag?

Wir hatten einen Dreijahresvertrag - wie konnte da die Miete überhaupt erhöht werden? Zypern ist nicht Deutschland. Nach zwölf Monaten hat der (neue) Eigentümer das Recht den Vertrag zu kündigen. Selbstverständlich gibt es auf Zypern auch Gesetze, welche den Mieter schützen sollen, allerdings war die Wahrscheinlichkeit hier (laut Aussage eines Anwaltes) zu gewinnen, sehr überschaubar. Gleichzeitig bedeutet das auch, dass die nächste Verhandlungsrunde mit dem neuen Eigentümer in zwölf Monaten anstehen wird. Hoffen wir mal, dass die Mieten bis dahin nicht weiter so eskalieren wie aktuell. Ich habe über diese Problematik vor einigen Wochen bereits ein Video auf YouTube veröffentlicht.

Konsequenzen

Wir sind aktuell wirklich sehr glücklich auf Zypern, hier in unserem Haus. Allerdings ist die Planungssicherheit doch eher etwas überschaubar. Was wenn der Eigentümer im kommenden Jahr 2.000€/Monat haben möchte? Letztendlich bedeutet das für uns: Leben mit der Wahrscheinlichkeit, dass man alle zwölf Monate umziehen muss. Aktuell mag das gehen - allerdings wie wird es eines Tages mit Kindern aussehen und jünger werden wir Beide leider nicht (Baujahr 92). Diese Problematik kannte ich bis dato nicht - klar, wir sind in Deutschland aufgewachsen. Auch wenn man das in Deutschland nicht glaubt: international betrachtet gibt es kaum ein Land mit mehr Rechten für Mieter als in Deutschland. Ehrlich gesagt kein Wunder wenn man die niedrige Eigentumsquote anschaut. Deutschland liegt mit 51% auf dem letzten Platz in der EU. Europaweit liegt nur die Schweiz hinter Deutschland.

Infografik: Vergleichsweise wenige Deutsche besitzen ein Eigenheim | Statista

Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Gruselige Rendite beim Eigenheim

Einer der primären Faktoren, welcher mich in der Vergangenheit davon abgehalten hat in ein Eigenheim zu ziehen, ist die geringe Rendite. Sicherlich ist die Rendite höher als auf dem Sparbuch - aber im Vergleich zum breiten Aktienportfolio? Wohl kaum. Mit Aktien kenne ich mich aus, habe jahrelange Erfahrungen, unzählige Bücher gelesen. Immobilien? Okay, ich habe während des Studiums ein Jahr als Makler für Gewerbe- und Anlageimmobilien gearbeitet, aber ansonsten? Keine. So wie die rechtliche Situation für Mieter in Deutschland anders ist als die auf Zypern, so scheint mir ein Eigenheim auf Zypern aus Renditeperspektive vielleicht zu Unrecht von mir verurteilt worden zu sein.

Lasst uns rechnen

Wir zahlen aktuell 1.400€ Miete (kalt). Dazu kommen Kosten für Strom (ca. 200€/Monat) und Wasser (ca. 15€/Monat). Ab welcher Kaufsumme würde ein Eigenheim jetzt keine "ganz schlechte" Rendite abwerfen? 3%? 4%?In unserer Siedlung ist vor wenigen Wochen ein baugleiches Haus für 350.000€ verkauft worden. Mache ich Abstriche bei der Lage würde es ein solches Haus auch für ~250.000€ geben. Dazu kommen 5% Kaufnebenkosten (für das erste eigene Haus). Im Eigenheim würde ich definitiv auf Solar setzen um die 200€/Monat zu sparen. Wir leben auf einer Insel im Mittelmeer und haben quasi ganz jährlich enorme Sonneneinstrahlung. Es ist mir unverständlich warum manche hier kein Solar nutzen. Sagen wir nochmal 20.000€ auf den Kaufpreis oben drauf. Dafür sparen wir uns die 200€/Monat an Stromkosten. "Pro Jahr scheint die Sonne in Paphos unglaubliche 9,3 Stunden am Tag. Dieser Wert wird allerdings in den Monaten Mai, Juni, Juli, August und September noch übertroffen. Dabei beträgt der höchste gemessene Jahreswert 13 Sonnenstunden. Interessant ist auch, dass die Sonne fast das ganze Jahr über mehr als 7 Stunden pro Tag scheint." Quelle: Klimatabelle.de

Bauqualität

Die Kosten scheinen auf den ersten Blick sehr niedrig. Sind sie auch. Allerdings ist auch die Bauqualität nicht mit der in Deutschland oder der Schweiz zu vergleichen. Bei entsprechender Bauqualität kann man wohl nochmal gut 200.000€ mehr auf den Tisch legen.

Baugleiches Haus - super Lage

Ein Haus in der unmittelbaren Nachbarschaft würde ca. 350.000€ + 5% VAT + 20.000€ Solar = 387.500€ kosten. Unsere Kosten würden um 1.600€/Monat (1.400€ Miete + 200€ Strom) sinken. Steuern + Maintainance (wird vom Verwalter der Siedlung erhoben) belaufen sich auf ~50€/Monat. Rechne ich noch 200€ Rücklagen dazu, kommen wir auf eine Kostenersparnis von 1.600€ - 200€ - 50€ = 1.350€/Monat oder 16.200€/Jahr. Geteilt durch den Kaufpreis von 387.500€ kommen wir auf 4,18% Rendite.

Ähnliches Haus - schlechtere Lage

Ein ähnliches Haus jedoch ohne Meerblick und schlechterer Lage würde inkl. Solar und VAT 283.000€ kosten. Bei gleicher Rechnung wie oben, kommen wir hier auf eine Rendite von 5,7%.

Klingt nicht schlecht oder?

Ein Haus in guter Lage, mit Meerblick und 4,1% Rendite p.a. oder mit Abstrichen bei der Lage mit 5,7% Rendite p.a. - okay, langfristig sicherlich unterhalb der Rendite eines weltweiten Aktienportfolios, aber auch weit oberhalb des Sparbuchs. Dazu vielleicht folgende Überlegung: Wie hoch wird die Rendite in der kommenden Dekade an der Börse sein? Erleben wir wieder einen Bullenmarkt mit durchschnittlich zweistelligen Renditen pro Jahr oder ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass wir auch Mal wieder ein "verlorenes Jahrzehnt" haben? Also allein zur Diversifizierung vielleicht gar nicht ganz verkehrt?

Fremdkapital

Die meisten Immobilien werden sicherlich über Fremdkapital finanziert. Geht hier auf Zypern auch. Allerdings leben wir erst seit einem Jahr auf Zypern und wie gut der Zugang zum Fremdkapital ist, kann ich noch nicht aus eigener Erfahrung sagen. Laut Erfahrungsberichten anderer deutscher Auswanderer ist es durchaus möglich an Fremdkapital zu kommen, teilweise sogar zu recht attraktiven Zinssätzen. Allerdings haben sich die Zinsen in den letzten Monaten radikal verändert. Siehe die Entwicklung der Bauzinsen in Deutschland:

Infografik: Bauzinsen steigen kräftig | Statista

Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Ich würde für Zypern mit minimal höheren Zinsen rechnen als aktuell in Deutschland. Allerdings bin ich mir nicht mal sicher ob wir Fremdkapital in Betracht ziehen. Ohne Kredite lässt es sich doch sehr gut schlafen - und mir ist mein Schlaf heilig. (Ich war als junger Mensch lange hoch verschuldet und habe mir deswegen viele Nächte um die Ohren geschlagen. Wenn ich auf Fremdkapital verzichten kann, würde ich das vorziehen. In Erwägung werde ich es dennoch ziehen.)

Wertsteigerung?

Ein Faktor der sicherlich für die gute Lage spricht ist die potentielle langfristige Wertsteigerung. Allerdings ist das natürlich eine Spekulation und niemand weiß wie die Immobilienpreise sich auf Zypern langfristig entwickeln. Allerdings würde ich von mindestens Werterhalt bei der besseren Lage ausgehen.

Mieterhöhungen?

Die zukünftigen Mieterhöhungen wären damit auf jeden Fall gestoppt. In unserem aktuellen Vertrag ist bereits die nächste Mieterhöhung auf Jan. 2024 datiert. Dann steigt die Miete von 1.400€ auf 1.600€. Allerdings kann es natürlich auch bereits nach zwölf Monaten passieren.

Planungssicherheit

Damit sind wir wohl beim wichtigsten Punkt angekommen, der Planungssicherheit. Wir könnten langfristig hier auf Zypern, in diesem Haus, planen. Was ist, wenn die Preise in den nächsten 24 Monaten weiter so anziehen und wir vielleicht 2.800€ Miete zahlen sollen? Unmöglich? Ich empfehle den Blick nach Tiflis. Da sind seit Kriegsausbruch die Mieten in vielen Gegenden um den Faktor 2,5 gestiegen. Und die Population Zyperns ist geringer als die von Tiflis. Ein enger Markt auf dem nur langsam mehr Angebot erzeugt werden kann (von den enorm gestiegenen Rohstoffpreisen will ich gar nicht anfangen zu sprechen).

Risiken

Die Risiken sollen hier auch nicht zu kurz kommen. Gerade sie sind es, die mich aktuell um den Schlaf bringen.

Sicherheit Zyperns

Die nationale Souveränität Zyperns ist nicht so selbstverständlich wie die Deutschlands. Zypern ist nach wie vor ein geteiltes Land und auch wenn seit 50 Jahren mehr oder weniger Frieden herrscht, gibt es diesen Konflikt nach wie vor. Gleichzeitig haben mehrere Westmächte ein Interesse an der Unabhängigkeit Zyperns. Erst letztes Jahr als es zu Spannungen bei Gasförderungen vor der Küste Zyperns kam, war die französische Marine zur Stelle. Auch sind nach wie vor zwei Überseegebiete des Vereinigten Königreichs auf der Insel. Dazu kommt die Mitgliedschaft in der EU. Aber ja, ein Risiko ist es nach wie vor.

Klumpenrisiko

Ein Investment in dieser Höhe wäre ein enormes Klumpenrisiko in unserem Portfolio. Unser gemeinsames Nettovermögen ist zwar größer als die potentielle Investition, würde aber dennoch dafür sorgen, dass unser größtes Einzelinvestment auf Zypern steht. Dabei bevorzuge ich definitiv die USA als Land für meine Investitionen.

Schlechte Rendite

4,1% Nettorendite (vor Inflation) ist nicht das was ich mir langfristig erhoffe. Nach Inflation sieht das schon anders aus. Allerdings gibt es durchaus Risikofaktoren, welche die Rendite weiter senken könnten. Was wenn die Meeresluft die Substanz des Hauses angreift und das Haus in 5 oder 10 Jahren eher nur noch 200.000€ Wert ist? Die Bauqualität ist nicht auf deutschem Niveau - hier würde ich auch nachbessern wollen - beispielsweise mit deutschen Fenstern.

Zinsanhebungen

Wieso sollten Zinsanhebungen ein Problem sein, wenn wir mit Eigenkapital kaufen? Auf der einen Seite die potentiell sinkenden Immobilienpreise. Wahrscheinlicher ist eher folgender Faktor: Zypern ist hoch verschuldet. Wenn die Zinsen langfristig steigen, braucht Zypern mehr Geld. Eine Möglichkeit wäre die Steuern auf Unternehmensgewinne zu erhöhen - was den Standort Zypern für Auswanderer deutlich unattraktiver machen würde. Das Ergebnis wäre eine geringere Nachfrage, da diese Art von Immobilien kaum von Einheimischen bewohnt wird. Und gerade diese Gruppe ist mobil. Die meisten sind Internet Unternehmer und haben kein lokales Unternehmen.

Fazit

Ich hoffe, dass ich meine Überlegungen nachvollziehbar darlegen konnte. Der Kauf eines Eigenheims ist häufig eine hoch emotionale Angelegenheit. Das ist es für mich zwar auch, allerdings spielt für mich neben der Planungssicherheit auch die Rendite eine übergeordnete Rolle. Ein guter Bekannter von mir, Alex von Vermietertagebuch, gab mir folgenden Tipp: bei Immobilien brauchst du einen Exit-Plan. Immobilien sind nun einmal deutlich unflexibler als ein Aktienportfolio. Also mach dir einen Plan. Ich denke die Weitervermietbarkeit ist bei der Immobilie in guter Lage gegeben. Über Airbnb lassen sich aktuell auch in der Saison Preise von 200€/Nacht realisieren. Wobei das nicht mein favorisierter Exit-Plan wäre. Es kann natürlich alles gut gehen. Mindestens 4% Nettorendite, möglicherweise eine solide Wertsteigerung (welche zumindest ansatzweise die Inflation ausgleicht), Planungssicherheit und Schutz vor steigenden Mieten. Klingt gut? Definitiv. Allerdings sind die Risiken auch nicht von der Hand zu weisen. Wie denkst du darüber? Gibt es wichtige Punkte, welche ich übersehen habe? Würdest du in meiner Situation eine Immobilie erwerben? Wenn ja, welche?

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